Zahnverletzungen im Milch- und Wechselgebiß
Übersicht
- Verletzungen der Zahnhartsubstanzen und der Pulpa
- Verletzungen des Zahnhalteapparates
- Verletzung des Alveolarknochens und der umgebenden Weichteile
- Betroffen sind meist Zähne der OK-Front
Versicherungsrechtliche Implikationen
- Zahnverletzungen auf Schulweg, in der Schule etc. sind über die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft, Gemeindeunfallversicherungsverband) versichert.
- Diese Träger fragen regelmäßig in Unfallmeldungen Angaben zu Unfallhergang, Ort, Zeit usw. ab.
- Eine Hilfestellung bietet das Formular der DGZMK http://www.dgzmk.de/set5.htm
Verletzung der Zahngewebe (Zahnhartsubstanzen und Pulpa)
- Schmelzsprung
- Infraktur
- Schmelzfraktur
- Unkomplizierte Kronenfraktur
- Komplizierte Kronenfraktur
- Kronen-Wurzel-Fraktur (kompl./unkompl.)
- Wurzelfraktur
Schmelzsprung
- Sichtbarer Riß, reicht nicht über Schmelz-Dentin-Grenze
- Häufig, oft Zufallsbefund?
- Ätiologie: Kältetest (?)
- Keine Beschwerden, normalerweise dringt keine Plaquefärbelösung ein
- Therapie nicht erforderlich
Infraktur
- Keine Zahnhartsubstanz verloren gegangen, Bruchlinie reicht bis ins Dentin
- bei Kindern eher selten, später oft bei Amalgamfüllungen (z.B. mod, Prämolar) oder Inlays ("Keil")
- wechselnde Beschwerden, bis zur irreversiblen Pulpitis
- Diagnostik: Loslaßschmerz
- Therapie: Überkronung, Onlay, Kontrolle Vitalität; ggf. Pulpektomie (Achtung: Gefahr der Kronen-Wurzel-Fraktur!)
Schmelzfraktur
- Frakturlinie verläuft nur im Schmelz
- Häufig! Kommt auch bei Michzähnen öfter vor
- Scharfe Kante kann stören
- Vorgehen: Glätten der Kanten oder Adhäsivfüllung
- Gute Prognose
Unkomplizierte Kronenfraktur
- Frakturlinie verläuft durch Schmelz und Dentin
- Häufigste Zahnverletzung, über 2% aller Schulkinder im Rhein-Neckar-Kreis weisen eine unversorgte (!) Kronenfraktur auf (Versorgungsgrad ca. 30%)
- Dentinoberfläche (bei vitalem Zahn) "empfindlich auf Luftzug" = kein CO2-Test nötig
Versorgung der unkomplizierten Kronenfraktur
- Wenn Fragment noch vorhanden: mitbringen lassen (Helferin am Telephon!) und adhäsiv befestigen. Fragment ist zunächst weißer als die Originalfarbe. Ein einmal wieder abgefallenes Fragment fällt meist wieder ab. Vor allem bei Kronen-Wurzel-Fraktur Versorgung mit plast. Material schwieriger als adhäsives Wiederbefestigen des Fragmentes.
- Falls kein Fragment: sofort definitive Füllung, keine Abdeckung mit Calciumsalicylatzement!
Komplizierte Kronenfraktur
- Frakturlinie verläuft durch Schmelz, Dentin und Pulpa
- Pulpaexposition manchmal nur kleinflächig, palatinal nahe an Zahnoberfläche
- Im Milchgebiß: Pulpektomie oder Extraktion
- bleibender Zahn: direkte Überkappung oder partielle Pulpotomie
- Bei komplizierter Kronen-Wurzel-Fraktur: Pulpa entfernen, Wiederbefestigen des Fragmentes, Trepanation und Calciumhydroxideinlage
Partielle Pulpotomie
Apexifikation
- Bei Pulpanekrose oder Pulpitis bei noch nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum
- Reinigung des Kanals durch große Feilen und Spülen
- Calciumhydroxideinlage bis Apex (Rö), Lentulo oder Injektion oder Stopfen von Pulver (mit Papierspitze)
- Wechseln der Einlage bis apikaler Stopp entstanden
Verletzungen des Zahnhalteapparates
- Konkussion
- Subluxation
- Luxation
- Avulsion
Konkussion
- Prellung des Desmodontes
- Zahn schmerzhaft bei Kauen sowie bei Perkussion, keine Lockerung oder Lageveränderung
- Therapie: evtl. vorübergehend weiche Kost, Schmerzmittel, keine immobilisierende Schienung, kurzzeitig CHX, Überwachung hinsichtlich Pulpakomplikationen
- Prognose gut
Subluxation
- Verletzung des Desmodontes ohne Verlagerung des Zahnes, teilweise Kollagenfasern gerissen
- Zahn locker, schmerzhaft
- Therapie: keine immobilisierende Schienung, Mundhygieneinstruktion, CHX, nur vorübergehend weiche Kost, Schmerzmittel, Überwachung Pulpa
- Es kann zu Pulpakomplikationen oder zur Ankylose kommen
Luxation
- Verschiedene Formen der Verlagerung des Zahnes (je nach Richtung): Intrusion, Extrusion, laterale Luxation
- nicht selten bei Milchzähnen (weicher umgebender Knochen)
Intrusion
- Verlagerung in den Alveolarknochen, meist mit Verletzung des umgebenden Knochens
- Bei bleibenden Zähnen: hohe Traumatisierung des Desmodontes, hohe Rate an Pulpakomplikationen
- Therapie: Mobilisieren in Lokalanästhesie, evtl. KFO, keine Immobilisierung, ggf. früh Endo
- Bei Milchzähnen bessere Prognose, aber: Gefahr der Zahnkeimverletzung
Extrusion
- Verlagerung aus der Alveole heraus
- Häufig Okklusionshindernis
- Vorgehen: Zuerst Lokalanästhesie (Vit-Pr. erst in nächster Sitzung), dann weitere Untersuchung, Rö-Bild, Reposition
- Falls nötig, kurzzeitig (2-3 Wochen) Schienung
Laterale Luxation
- Verlagerung des Zahnes in Richtung Alveolenwand
- Meist Begleitverletzung des Knochens, Sequesterbildung als "Spät"-folge nicht selten
- deutliche Lockerung des Zahnes
- Therapie wie Extrusion
Avulsion (Totalluxation)
- Vollständige Luxation aus der Alveole
- Austrocknen schädlich, hypotone Flüssigkeit sehr schädlich für PDL-Zellen
- Therapie: Reposition (sofort durch Patienten), ggf. Aufbewahren in Zellkulturmedium (Dentosafe®), falls nicht vorhanden: Milch
- Zellkulturmedium als Therapie?
- Es laufen vielversprechende Studien mit Schmelzmatrixproteinen (Emdogain®)
- WF: bei Ankylose durch resorbierbares Material ersetzen
Ankylose
- Ersatzresorption, Zahn wird abgebaut und durch Knochen ersetzt, auch bei bei vitaler Pulpa möglich; Immobilisierung begünstigt Entstehung (Schienungstechnik), auch bei: Impaktierung
- betroffenen Zähne brechen nicht weiter durch, sind sehr fest, heller Klopfschall, keine KFO- Bewegung möglich
- tritt oft erst Monate/Jahre nach Trauma in Erscheinung
- WF wird zum Fremdkörper
- Evtl. vorübergehend Zahn belassen, mit Komposit verlängern, später Implantat?
Wurzelfraktur
- Bruchlinie verläuft durch Zement, Dentin und Pulpa
- Pulpa kann in beiden Fragmenten vital sein oder nur im apikalen Fragment (oder gar nicht)
- Bruchspalt kann schräg verlaufen (Rö-Bild in 2. Ebene nötig)
- Bei vitaler Pulpa "Heilung" möglich (dauert Jahre)
- Therapie: Schienung bringt wenig, evtl. Teilentfernung und Erhalt des größeren Fragmentes (ggf. Extrusion der Wurzel)
- Transfixation: können nur Wenige!
|