Kariesprävention
Die Säulen der Kariesprävention (nicht verwechseln mit: "das Säule", westwürttembergischer Begriff für Individuum mit untermaximaler Mundhygiene)
- Zahnreinigung
- Ernährungslenkung
- Fluoridanwendung
- Fissurenversiegelung
"Komplementäre Kariesprävention"
- "primär-primär-Prophylaxe": Expositions-prophylaxe von kariespathogenen Keimen
- Impfung (aktiv/passiv)
- Chemoprophylaxe (z.B. Chlorhexidin)
- Beeinflussung des Bakterienstoffwechsels (z.B. mit Harnstoff, evtl. Xylit)
- mikrobielle Austauschtherapie
Begriffsbestimmungen
- kariogen= Substrateigenschaft (Vollkornbrot)
- kariespathogen= Eigenschaft von Mikro-organismen (auch Pilze?) ("virulent")
- infektiös= Eigenschaft eines Materials (Blut, Speichel)
- kontagiös= Eigenschaft einer Erkrankung (MKS, Windpocken)
"primär-primär-Prophylaxe"
- In zahlreichen Broschüren von Zahnärzte-verbänden finden sich Hinweise darauf, daß Schwangere möglichst "durchsaniert" werden sollten, um auf das Neugeborene keine pathogenen Keime zu übertragen. Speicheltests werden ebenfalls hervorgehoben.
- In den gleichen Broschüren fehlen Hinweise auf Saugerflaschen-Karies.
Die wissenschaftliche Begründung der "primär-primär-Prophylaxe" beruht auf der Assoziation von Mutans-Streptokokken mit einem erhöhten Kariesrisiko. Die Kausalität ist nicht vollständig geklärt.
- Der praktische Nutzen ist umstritten. Immerhin gibt es einige wenige Studien, welche entsprechende Hinweise geben.
Impfung gegen Karies: Werden wir arbeitslos?
- Aktive Impfung: keine zelluläre Immunität in der Mundhöhle, ebenso kein IgG, IgM, ausschließlich IgA (nur einige Monate). Merke: In der Mundhöhle sind normalerweise Fremdeiweiße!
- Passive Impfung: Nur wirksam, solange fremde Immunglobuline anwesend sind ("Designer-food": transgene Kuh produziert Milch mit Antikörpern zur Herstellung von Babynahrung!!!???)
- Wahrscheinlich werden wir nicht arbeitslos.
Chemoprophylaxe
- Chlorhexidin: nicht als Dauertherapie
- Zinnfluorid-Kombinationen (Fluorid!)
- Triclosan
- Sonstige Präparate: Wenig belegt!
Beeinflussung des Bakterienstoffwechsels
- Wenig erforscht, hohes Potential.
- Zahlreiche hypothetische Möglichkeiten (z.B. Ammoniak aus Harnstoff neutralisiert Säure, ebenso Peptide aus Käse)
- Vielleicht ruhen hier Cofaktoren des "caries decline"!
Mikrobielle Austauschtherapie
- Inokulieren von extra gezüchteten "harmlosen" Bakterien in die Mundhöhle, diese sollen die pathogenen Keime behindern/verdrängen.
- Ist black stain ein Modell dafür?
Fluorid: Die Kontroverse
- Systemisches Fluorid ist unverzichtbar.
- Fluorid ist bestens untersucht.
- Fluorid ist nicht Fluor.
- Fluorid ist essentiell.
- Fluorid ist ungiftig.
- Fluorid ist unnötig.
- Die Studien zu Fluorid sind falsch, schlecht usw…
- Fluorid macht Karies.
- Fluorid verursacht Krebs.
Warum gibt es Fluoridgegner?
- Assoziation zwischen Denalfluorose und Kariesresistenz täuschte Kausalzusammenhang vor.
- Hypothese der systemischen Fluoridwirkung war jahrzehntelang eine heilige Kuh.
- Viele Studien zur Fluoridanwendung haben diese Hypothese zugrunde gelegt.
- Selbst die Entstehung der Dentalfluorose funktioniert offenbar ganz anders als früher angenommen.
- Ungeschicklichkeit und Inkompetenz von Fluoridbefürwortern.
Wirkmechanismen
- Systemische Wirkungen: umstritten ("Säureresistenz", "flache Fissuren")
- Remineralisierung
- Hemmung von Bakterienenzymen
- direkt toxisch für die Bakterien
Unerwünschte Fluoridwirkungen
- Lokale Wirkungen (z.B. vor Anätzen): keine!
- Akuttoxizität (ab ca. 3 mg/kg Körpermasse)
- bei chronischer Überdosierung: diffuse Schmelzopazitäten
Dentalfluorose
- Wird von vielen Autoren als (nahezu) synonym mit diffusen Opazitäten angesehen.
- Die Prävalenz diffuser Opazitäten ist hoch (im Rhein-Neckar-Kreis ca. 20% der Schulkinder), Prävalenz schwankt stark zwischen verschiedenen Gemeinden!
- Typisch sind diffuse Flecken und Streifen, Prämolaren und Vestibularflächen sind besonders betroffen.
- Die Opazitäten durchziehen meist nicht die gesamte Schmelzdicke, sind eher oberflächlich.
- Schwere Ausprägungen selten, leichte gelten als "schön"
Pathogenese der Dentalfluorose
- Frühere Hypothese: Kristallitenwachstum beeinflußt
- Wahrscheinlich ist eine Hemmung der Proteolyse der Schmelzmatrixproteine die tatsächliche Ursache für die Entstehung.
Therapie von diffusen Opazitäten
- Leichte Fomen: keine Therapie! Bei Abrasions/Erosionsbehandlung beachten, daß eine "gelbliche"Zahnfarbe resultiert!
- Bei Schweren Formen: restaurative Therapie (z.B. Veneers)
Ursachen für diffuse Opazitäten
- Genetische Ursachen (selten)
- Strontium (selten)
- Weiter Ursachen unklar (Säure-Basen-Haushalt?)
- Fluoridexposition gilt als Hauptursache, die Höhe der erforderlichen Dosis ist unklar, liegt aber nahe am präventiven Bereich (geringes "therapeutisches Fenster")
Quellen für Fluoridexposition
- Trinkwasser (natürlicher Fluoridgehalt!)
- Mineralwasser
- Fluoridtabletten
- Soja-Säuglingsnahrung (bis 2000), supplementierte Säuglingsnahrung (bis ca. 1993)
- Fluoridsalz (ab 1993)
Fluoridexposition
- Kinderzahnpasta (seit 2000 meist 500 ppm, in Signal 250 ppm, in thera-med 1000 ppm)
- Erwachsenen-Zahnpasta ca. 1000 ppm
- Fluoridlack Duraphat ca. 23000 ppm (wird immer verschluckt)
- Kaugummis mit Fluorid
Ab wann Zähneputzen mit Kinderzahnpasta?
- Die Empfehlungen der Fachgesellschaften weichen derzeit voneinander ab.
- Die unerwünschten Wirkungen hängen von der verschluckten Absolutmenge ab. Die Zahnpasta muß dosiert werden.
Was ist mit der Fluoridtablette?
- Vorteil: schnelle, hygienische Applikation: gut für Gruppenprophylaxe; aber: Arzneimittel! Geringe Akzeptanz.
- Heute praktisch keine Tablettenprogramme mehr in der Gruppenprophylaxe.
Fluoride in der Gruppenprophylaxe?
- Verschiedene Möglichkeiten liegen Vor: Duraphatlack, Zähneputzen, Gele
- Die optimale Möglichkeit muß individuell bestimmt werden!
- Probleme in der Gruppenprophylaxe sind die Hygiene, die Schweigepflicht und die Dokumentationspflicht.
Fluoriddiskussion
- "Fluorid macht Karies" (Fehlerhafte Extrapolierung)
- "Karies trotz Fluorid" (z.B. issurenkaries, Saugerflaschenkaries: reduzierter Wirksamkeit bei Fehlen von Remineralisierungszeiten
- "Tablettengewöhnung" (nur bei Tablette)
- "Krebs durch Fluorid" (fehlerhafte Studien, z.B. verschiedenen Altersgruppen verglichen, andere Ätiologie mißachtet)
- Fluoride sind weiterhin wichtig, so wichtig, daß ihre Akzeptanz nicht durch falsch verstandene unkritische Anwendung gefährdet werden darf.
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